Kunst im Coaching: Interview mit Coach Jörg Reckhenrich
Positive Psychologie, Kreativität und die Stärke, Verbindungen zu schaffen: Jörg Reckhenrich zeigt, wie man Unternehmergeist mit der Liebe zur Kunst verknüpfen kann. Auch in seiner Rolle als Coach bei On Purpose nähert er sich mit unseren Associates Kunstwerken und unterstützt so seine Coachees mit seinem Format 'Coaching vor Kunst' in ihrer Entwicklung.
Welche nachwirkenden Momente sich in diesen Coaching-Sessions ergeben haben und wie er nun gemeinsam mit seiner Kollegin Marlen Nebelung die digitale Lernreise 'Positive Kooperation' auf den Weg bringt, erfahrt ihr in diesem Interview.
Lieber Jörg, erzählst du uns ein wenig über dich? Was waren deine Stationen? Und wie bist du dorthin gelangt, wo du heute bist?
Ich habe in Münster, meiner Heimatstadt, Kunst – Malerei und Bildhauerei – studiert. 1988 bin ich nach Berlin gezogen und habe mir mein erstes Atelier gesucht. Schon in dieser Zeit habe ich im Bereich der Kunstvermittlung der Berliner Museen gearbeitet. Kunst machen und Kunst vermitteln war niemals ein Widerspruch für mich. 2000 habe ich dann den Entschluss gefasst, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten. Ich komme aus einem Unternehmerhaushalt, meine Eltern haben ein Fotogeschäft geführt. Diese Welt, das Unternehmerische, kannte ich gut und wollte sie mit der Kunst verbinden. Nach den ersten Schritten, das waren in erster Linie künstlerische Workshops, wurde mir klar: da ist Raum für das Kreative in Organisationen. Wie, so war meine Frage, können künstlerische Prinzipien in den Unternehmensalltag transferiert werden. Ich meine damit, wie wir die unterschiedlichsten Perspektiven einnehmen und dadurch einen anderen – neuen Blick entwickeln, wie wir Dinge, die vermeintlich nichts miteinander zu tun haben, in Beziehung setzen und miteinander verknüpfen …
Als ich dann in der unternehmerischen Welt etwas Fuß gefasst hatte, wurde mir klar, dass ich beim Handwerkszeug noch etwas nachzuholen hatte. Ich habe dann eine Ausbildung zum systemischen Berater und Coach gemacht. In den letzten Jahren ist dann noch die Positive Psychologie dazugekommen, mittlerweile ist das ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Die Verbindung zur Kunst, durch die Arbeit mit Bildern oder dem Format 'Coaching vor Kunst', zieht sich als roter Faden durch meine ganze Arbeit durch.
Ein inspirierender Weg und spannend zu sehen, wie du Verknüpfungen zwischen Dingen herstellst – sowohl deinem Leben als auch in deiner Arbeit. Nimm uns mit zurück: In welchem Zusammenhang hast du das erste Mal von On Purpose gehört?
Seit gut 3 Jahren bin ich Mitglied im „Responsible Leaders Network“ der BMW Stiftung. Im Zusammenhang mit einigen Überlegungen, was ich in das Netzwerk einbringen kann, hatte ich mich mit Ilka Hennet von der Stiftung intensiv unterhalten. Ilka ist großartig darin, nach entsprechenden Verbindungen zu suchen und die richtigen Menschen miteinander zu verknüpfen. In einem der Gespräche hat sie mich dann auf On Purpose aufmerksam gemacht.
Das freut uns sehr, dass sich auch hier eine Verknüpfung ergeben hat! Und im nächsten Schritt: Wie ist die Zusammenarbeit mit On Purpose entstanden und wie sieht diese aus? Wie gestaltest du das Programm bei On Purpose mit?
Ich habe dann eine ganze Reihe von Gesprächen mit Tom Rippin, Gründer von On Purpose, geführt. Wir hatten überlegt, wie ein Leadership-Programm für Menschen innerhalb eines Unternehmens aussehen könnte. Also ganz im Geiste von On Purpose, aber für Führungskräfte, die in der Organisation bleiben und von innen etwas bewegen wollen. Irgendwann hatte Tom mich dann gefragt, ob ich Lust hätte als Coach und Mentor bei On Purpose mit an Bord zu kommen und ich habe Ja gesagt, mit Freude.
In deiner Arbeit als Coach hast du gemeinsam mit der Unternehmensberaterin Marlen Nebelung und dem Coach Peter Winkels das Format „Coaching vor Kunst“ entwickelt. Da schwingt Kreativität mit! Kannst du uns das Format etwas näherbringen?
Coaching vor Kunst ist aus einer langen Erfahrung entstanden. Zunächst waren das immer wieder ganz intensive Momente, lange vor einem Kunstwerk zu stehen und dieses zu betrachten – das hat etwas Kontemplatives. In Gesprächen mit Teilnehmer*innen stellte sich dann heraus, dass sich eine Art Transfer fast ganz natürlich ergab. Wenn du lange vor einem Kunstwerk stehst und nicht über das Bild sprichst, sondern über das, was du wahrnimmst, was dich berührt, dann spiegelt sich deine Gestimmtheit, deine Fragen und sogar ein Stück deiner Persönlichkeit. Diese Situationen waren für mich und die Menschen, mit denen ich eine solche Erfahrung machen konnte und durfte, oft sehr überraschend und ungewöhnlich. Beide Seiten gingen dann, wenn sich so eine Situation einstellte, verändert, irgendwie anders gestimmt, daraus hervor. Diese Momente gehören zu den glücklichsten meiner Arbeit. Deshalb liebe ich das Format so. Ausgehend von dieser Grunderfahrung haben wir drei dann den Prozess in Richtung Coaching systematisiert.
Würdest du einen weiteren der schönsten Coaching-Momente im Rahmen des Associate-Programms mit uns teilen?
Da fallen mir zwei Situationen ein. Einmal die unglaubliche Offenheit einer Coachee, sich auf einen neuen Coaching-Ansatz einzulassen und gemeinsame Erfahrungen zu sammeln. Das war toll und ich bin da sehr dankbar. Die zweite Situation war die, dass ein Coachee bei mir in der Galerie sich eine Skulptur ausgesucht hatte und zwar für das Einstiegsgespräch. Er hat sich so in die Arbeit vertieft, dass ich dachte: der hört ja gar nicht mehr auf, zu schauen. Die Arbeit ist wirklich minimal. Das war großartig und hat eine richtig gute Verbindung geschaffen zu seiner Frage: wo komme ich her und was will ich durch das Programm bei On Purpose erreichen. Meine Einsicht war: ein Zielvereinbarungsgespräch kann auch sehr anders sein.
Wenn du nicht gerade der nächsten Generation der Changemaker*innen hilfst, sich weiterzuentwickeln: Womit beschäftigst du dich derzeit?
Ich arbeite seit vielen Jahren mit meiner Kollegin Marlen Nebelung zusammen. Wir haben uns vor über 14 Jahren bei der DB Akademie, wo sie damals als Trainerin gearbeitet hat, kennengelernt. Gemeinsam haben wir die Werteskulptur, eine große Außeninstallation, entwickelt. Marlen und mich verbindet die eine große Liebe zur Positiven Psychologie. Wir beide haben den gleichen Ausbildungshintergrund und sehen, wie kraftvoll und konstruktiv der Ansatz ist. Daraus hat sich die Idee entwickelt, das systemisch auszubauen. Wir haben dann vor einem guten Jahr PParts gegründet. PParts ist die Verbindung aus Positiver Psychologie, Kunst (Art) und der systemischen Haltung. Parallel haben wir uns mit dem Finnischen Unternehmen TalentMiles in Verbindung gesetzt. TalentMiles bietet eine digitale Lernlösung an, die genau in diese Zeit passt. Über kurze und prägnante Aufgaben werden konkrete Impulse durch eine App vermittelt, die dann im Alltag umgesetzt werden müssen. Wir begleiten die TeilnehmerInnen über die App und geben Rückmeldung zu den gemachten Erfahrungen. Eigentlich handelt es sich um eine permanente Coaching-Begleitung.
Der Anspruch von Marlen und mir bei der Gründung von PParts war und ist, den Zugang zur Positiven Psychologie für vielen Menschen, u.a. als Pro-bono-Aktivität, zugänglich zu machen. Unsere Leitlinie sind dafür die SDGs, insbesondere das Ziel Nr. 5 – Quality Education. Wir sagen mit einem Augenzwinkern:
Wir können qualitativ hochwertige Ausbildung in jede Ecke der Welt bringen.
Die Verbindung aus Positiver Psychologie, der Emotionalität der Kunst – beides in Verbindung mit dem digitalen Ansatz macht das möglich.
Marlen und ich haben dann nach einer konkreten Situation geschaut. Durch das BMW Netzwerk hat sich die Verbindung zu Natalya Nepomnyashcha und dem Netzwerk Chancen ergeben. Natalya und wir fanden das eine gute Idee, ein Programm speziell für das Netzwerk anzubieten. Das Thema ist „Positive Kooperation“ – das braucht es nicht nur im Moment, sondern ganz sicher viel viel mehr in der Zukunft. Wir müssen Kooperation viel besser „spielen“ können, es braucht das als Teil unseres Repertoires, um das Geflecht aus Anforderungen und schnellen Änderungen, mit dem wir es zu tun haben, viel konstruktiver und produktiver gestalten zu können. Das hat auch sehr viel mit einer kreativen, sprich ergebnisoffenen Haltung zu tun.
Wow, eine tolle Programm-Idee! Erzähl uns gern bitte mehr: Wie ist das Programm aufgebaut, wen möchtet ihr damit erreichen und wer ist noch beteiligt?
Das Programm ist als virtuelle Lernreise aufgebaut. Die Lernreise fördert gezielt gelingende Kooperation auf den Grundlagen der Erkenntnisse der Positiven Psychologie, der Neurowissenschaften und der Soziologie. Es geht um das Herausarbeiten persönlicher Entwicklungsschritte, Zielklarheit in der Kooperation, Stärkenorientierung und einer sehr wirksame Form der kooperativen Gesprächsgestaltung.
Die Lernreise dauert ca. einen Monat und kann in einer Gruppe von 6 bis zu 30 Personen durchgeführt werden. Innerhalb der Gruppe gibt es feste Buddies – als Lernpartner*innen. Dieser Ansatz, so ist unsere Erfahrung aus anderen Programmen, ist überaus effektiv, gut umsetzbar und sehr wirksam. Die Zielgruppe in dem Pilotprogramm mit dem Netzwerk Chancen sind junge Berufseinsteiger. Aber ganz klar gesagt: eine andere, sprich positive Haltung, brauchen wir alle. Kooperation wird eine der kommenden wichtigen Ressourcen sein.
Was ist euer Antrieb bei diesem Projekt? Benötigt ihr Unterstützung?
Was uns in diesem Projekt treibt und motiviert, ist die Verbindung der verschiedenen Netzwerke, wie der BMW Foundation, On Purpose, Netzwerk Chancen herzustellen. Insofern ist es eine große Freude Frieda Eichhorn mit an Bord zu haben. Frieda habe ich im Rahmen meiner Pro-bono-Arbeit bei On Purpose als Coach begleitet. Ich war ganz berührt, als Frieda mir am Ende sagte, sie wolle uns bei dem Projekt mit Netzwerk Chancen begleiten. Marlen und ich freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihr. Und es passt auch sehr gut das Frieda den On Purpose Hintergrund hat. Durch On Purpose kommt gleich ein bestimmtes Grundverständnis mit rein – da muss man gar nicht lange über Sinnfragen und Ausrichtung sprechen.
Wir freuen uns auf alle Fälle über jede Form der Unterstützung. Marlen und ich planen mittlerweile schon weiter. Wir sprechen gerade mit einer NGO in Uganda über ein „Women Leadership“-Programm. Das könnte nicht nur groß werden, sondern einen richtigen Bedarf treffen. Da sind wir für jede Idee und Unterstützung offen. Fragen, die wir uns stellen sind: wie skalieren wir ein solches Programm, wer kann als Learning-Coach mit an Bord kommen, wie entwickeln wir ein tragfähiges Modell der Zusammenarbeit … Hier gibt es noch viele Fragen, die offen sind. Aber genau das macht ja auch Spaß, das Unmögliche zu wagen und sehen, wohin die Reise einen dann trägt.
Das sind wunderbare Schlussworte. Vielen Dank für das Interview, das Teilen deiner Erfahrung und danke, dass du unsere Gemeinschaft als Coach mit diesem kreativen Ansatz aktiv unterstützt, Jörg! Wir wünschen dir weiterhin alles Gute und viel Energie bei deinen nächsten Schritten für „Positive Kooperation“ und beim Umsetzen der weiteren Projekte!
Du möchtest On Purpose auch mit deiner Coaching-Tätigkeit unterstützen? Dann nimm gern Kontakt mit uns auf. Oder möchtest du dich im Rahmen des Associate-Programms weiterentwickeln – dann registriere dich jetzt für weitere Informationen zum Programm und zur Bewerbung. Wir freuen uns auf dich!